Handschellen Handschellenseite

Europa 1

Ich habe vereinzelte europäische Fesseln, die ich auf den folgenden Seiten vorstelle.

Italien

Bagno:

Bagno

Die italienischen Bagni wurden etwa bis Mitte der 1970er Jahre eingesetzt. Die Form dürfte schon seit einigen Hundert Jahren bekannt sein.
Der Name entstand vermutlich in Anlehnung an den umgangssprachlichen Namen für das Marseiller Gefängnis für Galeerensträflinge (frz. "bagne" - Bad), deren Kerker regelmäßig unter Wasser standen. Der Begriff wurde vermutlich für italienische Gefängnisse und später für die Fessel übernommen. Eine Variante davon besagt, dass die Bagni zunächst in Frankreich eingesetzt wurden und der ähnlich entstandene Name eben mitgenommen wurde.
Eine Bagno wird typischerweise so angelegt, dass die Hände in verschiedene Richtungen weisen. Wenn der Riegel mittels der Flügelschraube heruntergedreht war, wurde die Fessel mittels eines Vorhängeschlosses gesichert.
Repliken dieser mittlerweile sehr seltenen Teile werden in Pakistan hergestellt, z.B. .

Catanelle:

Catanelle

Gut zu transportieren und jedermann passend sind solche Fesselketten. Indem die Kette durch zwei eingearbeitete Ringe geführt wird, ist jedes Gelenk umschlossen. Gesichert wird das Ganze mit einem Vorhängeschloss.

Handschellen der Carabinieri:

Italienische HS

Auch diese groß gebauten, brünierten und gespiegelten Fesseln stammen aus Italien. Sie verfügen über eine Sicherung, die mit dem Schlüssel beim Öffnen entsperrt wird.
Ich bin nicht sicher, ob diese Handschellen tatsächlich von den Carabinieri eingesetzt werden oder wurden, zumindest wurde mir das zugesichert. Das vorliegende Exemplar ist schon älter, aber ungebrauchte Lagerware.
Auffällig ist die Schellenverbindung: Es gibt keine Kettenglieder, sondern ein Dreieck, in das noch ein Ring eingearbeitet ist. Der Zweck mag sein, mehrere Gefangene zusammen zu schließen, eine Führkette einzuhängen usw.

Belgien

Belgische Magnethandschellen:

FN-Magnethandschellen

Diese Handschellen wurden in Belgien von der Firma Fabrique Nationale (FN) in den 70er Jahren hergestellt. Das Besondere daran ist, dass sie zum Öffnen keinen gewöhnlichen Schlüssel, sondern einen Magneten verwenden. Eine zusätzliche Besonderheit ist das Fehlen eines Doppelbügels. Hier handelt es sich also um einen Seitenschwinger, was recht selten vorkommt (vgl. die Hagge Handschellen). Die Fessel wurde nicht mehr weiterproduziert und -verwendet, nachdem sich herausgestellt hatte, dass bei wenig kooperativen Personen sich die Bedienung schwierig gestaltet.

Zwar sind die Kanten gerundet, dafür sind die Bügel aber recht schmal geraten. Zudem gibt es keine Sicherung gegen weiteres Verengen. Alles in allem handelt es sich aber um ein interessantes Sammlerstück in einer ansehnlichen Form; besonders interessant, wenn noch Originaltasche und -magnetschlüssel dabei sind.

FN-Magnethandschellen

Belgische Abführfessel:

Belgische Fesselschnur

Diese geknotete Fesselschnur mit dem zwei Knebeln am Ende wurde in Belgien verwendet, was mir von belgischen Sammlern bestätigt wurde. In anderen Ländern wurden dafür Abführketten aus Metall verwendet.

Belgische Abführkette:

Belgische Fesselkette

Die einstellbare und mit Vorhängeschlössern zu sichernde Kette wurde mir als belgisches Original angeboten. Dazu habe ich noch keine Bestätigung, ich bezweifle es allerdings auch nicht.

Fesselketten sind gar nicht so unüblich. Neben der italienischen Catanelle gibt es auch deutsche und us-amerikanische Modelle. Das besondere an Fesselketten gegenüber irgendwelchen Ketten ist eben, dass sie genau für diesen Zweck gemacht sind. Sie zeigen durchweg entweder Ketten mit eher kleinen Kettengliedern oder solche Drahtglieder. Das sorgt meines Erachtens für eine passende Einstellbarkeit und verhindert Verletzungen durch Einklemmen der Haut oder zu punktuelle Auflagefläche.

Niederlande

Alte Lips:

Lips

Diese Handschellen stammen aus den Niederlanden. Sie sind nicht mehr im Polizeieinatz. Ein schönes und interessantes Stück.
Lips stellt solche Handschellen nicht mehr her. Durch die Beteiligung an Heinrich Hagge Gerätebau (Hersteller der Deutsche Polizei-Handschellen) werden die Lips Handschellen in Form der "Deutsche Polizei", die von den niederländischen Behörden verwendet werden, in Deutschland bei Hagge gefertigt.

SHN 2010 G2:

SHN

Die SHN (Security Handcuffs Netherlands) ist das aktuell bei der niederländischen Polizei eingeführte Modell. Das vorliegende Exemplar ist eine Zivilversion (die genauen Unterschiede von der Behörden- zur Zivilversion sind mir allerdings nicht bekannt). Die Marke bzw. der Betrieb SHN ist jedoch der Distributor, für Entwicklung und Herstellung zeichnet der deutsche Betrieb MK Technology verantwortlich.
Im Rahmen einer niederländischen Neuausschreibung wurden die SHN bereits (spätestens) 2013 vorgestellt. Seit 2017 werden sie schrittweise bei der niederländischen Polizei eingeführt, d.h. neue Polizist_innen erhalten eine SHN, defekte LIPS werden gegen eine SHN ausgetauscht. Sie funktionieren prinzipiell wie die Lips bzw. Deutsche Polizei, auch die Schlüssel sind kompatibel. Sie sind auch für kleine Handgelenke geeignet. Die SHN ist sehr leicht (281 Gramm auf meiner Waage): das Gehäuse besteht aus Magnesium mit Schutzbeschichtung, die Bügel aus Edelstahl, Auslassungen zur Gewichtseinsparung sind erkennbar. Zudem verfügt die SHN über eine Bereitschaftsfunktion ("backload"); diese Funktion ist hier bei der Hiatt 2003 beschrieben.

Dänemark

S.V.:

S.V.

Möglicherweise sind das die einzigen je in Dänmark hergestellten Handschellen. Viel darüber ist nicht bekannt, nicht einmal, wofür das "S V" im Logo steht. Sie wurden während des Zweiten Weltkriegs hergestellt.

S.V.

Erkennbar ist auch eine Seriennummer. Insgesamt hat das Modell eine gewisse Änlichkeit zum zweiten August-Schwarz-Modell, etwa Material, Schlossfunktion (der Schlüssel öffnet und schließt auch die Schwarz-Modelle und umgekehrt). Jedoch stimmen die Maße nicht ganz überein: Die SV ist etwas schmaler am Schlosskasten und insgesamt ein wenig länger.
Jedenfalls ist die SV ein ebenso außergewönliches wie ansehnliches - und seltenes - Exemplar. Sie für mich eins der Glanzlichter meiner Sammlung.

Polnische Handschellen:

Polnische HS

Diese Handschellen kommen aus Polen. Sie haben einigermaßen abgerundete Kanten und sind etwas groß gebaut. Auffällig ist der Schlüssel: Der lange Dorn vorne aktiviert den Doublelock. Insgesamt erinnern sie grob an die alten Peerless Model 2.
Manchmal findet man als Markennamen MO (Milicja Obywatelska - Polnische Polizei als Nutzer) oder ZK-MS (Zaklad Karny-Ministerstwo Sprawiedliwosci - Gefängnisbehörde als Hersteller). Die Handschellen wurden von 1945-1989 in polnischen Gefängnissen hergestellt (ein anderes sozialistisches Land, die DDR, hielt das genauso).
Markierungen auf den Handschellen nennen in einem Kürzel das Gefängnis, in denen sie hergestellt wurden, sowie das Herstellungsdatum. Die abgebildete Handschelle wurde demnach im November 1983 gemacht:

Polnische HS

Unterschiedliche Modelle rühren daher, dass sich die Form über die Jahre veränderte. Auf diese Weise kommen etwa sieben leicht unterschiedliche Ausführungen zusammen. Die meisten der Handschellen wurden geschwärzt ausgeliefert. Vernickelte Modelle bekamen nur Offiziere der Polizei bzw. Armee, da Nickel zu den Mangelgütern in sozialistischen Staaten gehörten.




Vorherige Seite | Nächste Seite

Startseite