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Ein Abriss über die Arretierung von Handschellen

Man sieht es in fast jedem Krimi: Ein Tatverdächtiger wird verhaftet, dabei werden ihm Handschellen angelegt. Im Film geht das ruckzuck (oder besser: ratschratsch Wink). Das sieht auch immer so einfach aus, wenn die Polizisten die Handschellen aus ihrer Tasche nehmen und sie sofort einsatzbereit in der Hand halten.

Was man nicht bzw. nur selten sieht, ist die Arretierung der Handschellen, also die Betätigung des "double locks". Eigentlich gehört das dazu, real wird das auch gemacht, nur eben im Film nicht gezeigt. Dabei ist die Arretierung eine wichtige Sache, da sie ein Niederschlag von Grundrechten in einer rechtssicheren Gesellschaft ist.

In einem Rechtsstaat genießen die Bürger unter anderem unveräußerbare Rechte, ich spreche vor allem vom Recht auf körperliche Unversehrtheit, das insbesondere auch für Tatverdächtige gilt.

Handschellen können allerdings verletzen, wenn sie nicht arretiert wurden. Neben Schmerzen durch Quetschungen oder abgeklemmte Nerven können sogar bleibende Schäden entstehen.

Es gibt jedoch noch einen andere rechtliche Aspekte, die auf Sicherheit abzielen. Zum einen hat der Polizist das Recht sich zu sichern, daher verwendet er Handschellen, um einem Verhafteten keine Gegenwehr zu ermöglichen. Zum anderen hat die Gesellschaft ein Recht darauf, dass ein Verdächtiger auch tatsächlich der Justiz zugeführt wird und nicht bei der Flucht noch etwas anderes anstellt.

Aus diesem Grund ist es akzeptabel, einen Verdächtigen zu fesseln, also angemessenen Zwang auszuüben. Es ist ebenso billig, den Verdächtigen situationsbedingt nicht zu verletzen. Und Handschellen sind genau dafür gemacht: Man kann damit fesseln, jedoch schwere Verletzungen vermeiden oder zumindest minimieren. Zusätzlich sind sie recht leicht zu bedienen.

Das war jedoch nicht immer so ...

Vor über hundert Jahren stellte es sich nicht so leicht da, einen Verdächtigen schnell, einfach und sicher zu fesseln. Zwar konnte man sich mit den damals üblichen Darby-Handschellen nicht durch Verengung verletzen, aber die Dinger passen halt nicht jedem; und sie sind nicht so leicht zu bedienen. Einmal geschlossen muss man sie umständlich aufschrauben.

Sehr erfinderisch waren die US-Amerikaner. Sie stellten bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts verstellbare Handschellen her, die nicht mehr mit einem Schraubschlüssel umständlich geöffnet werden mussten. Ein Beispiel dafür ist das Tower Detective Modell:


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Allerdings gibt es keine Arretierung, aber schon bald war der erste "double lock" entwickelt, der mit einem Schlüsseldreh eingestellt werden konnte, wie z.B. bei den Towers:


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Es blieb noch ein Problem der Bedienbarkeit. Einmal geschlossen musste die Schelle erst wieder aufgesperrt werden. Hinzu kommt die Schwierigkeit, solche Handschellen offen zu transportieren. Nicht jeder Verdächtige ist so geduldig, den Polizisten erstmal seine Handschellen aufschließen zu lassen ... Dieses Problem kann zwar gelöst werden, wie etwa bei den Bean Cobb:


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Die Cobb kann "geschlossen" transportiert werden, den die Bügel rasten nur dann ein, wenn der Knopf am Schloss gedrückt wird. Allerdings lässt sich dieses Modell nicht arretieren ...

Übrigens: Auf unserer Seite des großen Teichs, war man zu dieser Zeit (und teils noch später) immerhin so weit, wenigstens verstellbare Handschellen herzustellen, wie die Hiatt 115, aber man blieb zunächst beim Darby-Prinzip:


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Die in den US ersonnenen Lösungen waren da für Polizisten schon praktischer. Aber nicht alles war praktikabel, was man so ersinnt ... Eine Handschelle, die vorm Einsatz nicht erst aufgeschlossen muss, verstellbar ist und arretiert werden kann, ist z.B. die Maltby von Mattatuck:


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Wer allerdings im letztjährigen Adventskalender etwas über die Bedienung der Maltby gelesen hat, kann sich vorstellen, dass dieses Modell nicht gerade leicht zu bedienen ist (vorspannen, einschnappen lassen, Sicherung betätigen ...).

Die Lösung, die sich schließlich weltweit durchgesetzt hat, war die 1912 patentierte Peerless-Handschelle. Der Bügel konnte durchschwingen, so dass die Schelle zum Öffnen (so lange kein Handgelenk dazwischen war) nicht erst aufgeschlossen werden musste. Hier das frühe Modell (noch von Smith & Wesson produziert), der "Urahn" der "Standardhandschellen":


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Die Arretierung wurde wie bei den Tower durch einen Schlüsseldreh eingesellt. Der "Enkel" des Urahns sah in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts schon so aus:


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Und das ist dann auch der "Vater" aller Standardhandschellen, da die grundlegenden Prinzipien bald kopiert wurden:
- zwei durch zwei Kettenglieder und Drehwirbel verbundene Schellen
- Doppelbügel ermöglichen das Durchschwingen
- die Arretierung kann durch einen Schlüsseldorn seitlich an den Schellen betätigt werden
Zudem ist diese Peerless gespiegelt, d.h. es handelt sich nicht um exakt baugleiche Schellen, die miteinander verbunden wurden, wie das bei den oben gezeigten Modellen der Fall ist (außer der Darby Rolling Eyes).

Mit der Zeit hat sich das Design verändert, die Funktionsweise ist jedoch gleich geblieben. Smith & Wesson, die noch die ersten Peerless hergestellt hatten, hatten später eine Form gefunden, die Dutzendfach kopiert wurde und in gewissem Sinne als Inbegriff eines Handschellendesigns zählt. Das Modell nennt sich schlicht M 90:


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Die Sicherung ist wie bei den Peerless der 30er seitlich an den Handschellen zu finden:


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Natürlich gibt es auch andere Designs, gerade Smith & Wesson Handschellen lassen sich gut am Schlitz erkennen (der jedoch auch schon kopiert wurde), hier sieht man die Arretierung an einer M 103:


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Aber die Entwicklung blieb nicht stehen. So hatte Clejuso bereits vor Jahrzehnten Handschellen mit einer Arretierung ausgestattet, die nicht mehr mit dem Schlüssel betätigt werden muss, sondern per Fingerdruck funktioniert:


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Aktuelle technische Richtlinien zur Beschaffung von Handschellen sehen eine solche Arretierungsmöglichkeit häufig vor.

Die Entwicklung wird weitergehen. Und auch das war nur ein kurzer Ausflug in die Entwicklungsgeschichte von Handschellen. Und gerade das finde ich so faszinierend an der Handschellentechnik, wie sie sich anhand äußerer Gegebenheiten entwickelt, vor allem am Recht auf Unversehrtheit und dem Bedarf einfacher Bedienung. Form folgt Funktion Very Happy.

Denkt vor diesem Hintergrund einmal nach:
Welche Gegebenheiten könnten es sein, die beispielsweise zur Entwicklung von Gelenkhandschellen geführt haben könnte?

In diesem Sinne
viel Vergnügen und schöne Adventszeit

Enris

PS: Und immer an die Arretierung denken Wink!